Häufige Wundarten
Chronische Wunden sind Wunden, die trotz adäquater Therapie über einen längeren Zeitraum keine Heilungstendenz zeigen. In der Fachliteratur existieren unterschiedliche Definitionen für chronische Wunden. Während einige Quellen von einer chronischen Wunde sprechen, wenn nach 8 Wochen keine Heilung erfolgt (Dissemond et al., 2020), verwenden andere Definitionen einen Zeitraum von 6 Wochen oder sprechen von Heilungsverzögerungen in Abhängigkeit von Grunderkrankungen und Gewebeschädigungen.
Im Rahmen unserer Arbeit orientieren wir uns am Expertenstandard Chronische Wunden des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), welcher definiert, dass eine Wunde chronisch ist, wenn sie über einen Zeitraum von 4 bis 12 Wochen keine Heilungstendenz zeigt (DNQP, 2020).
Die Einteilung und Diagnose eines Krankheitsbildes sowie die Festlegung der zugrunde liegenden Ursachen erfolgt durch Ärztinnen und Ärzte. Sie sind für die medizinische Beurteilung der Grunderkrankung sowie die Erstellung eines Therapieplans zuständig. Die Pflegefachpersonen übernehmen im interdisziplinären Team die spezialisierte Versorgung der Wunden und koordinieren präventive sowie unterstützende Maßnahmen. Fachärztliche Diagnosen, wie z. B. die Abklärung von Durchblutungsstörungen mittels Doppler- oder Duplexsonografie, bilden die Grundlage für eine zielgerichtete Therapie (Schürmann et al., 2019).
Häufigste Arten von chronischen und schwer heilenden Wunden
Druckgeschwüre (Dekubitus)
Dekubitus entsteht durch langanhaltenden Druck in Kombination mit Scherkräften, häufig in Bereichen mit Knochenprominenz wie Steißbein, Hüften oder Fersen. Immobile oder sensorisch eingeschränkte Menschen sind besonders gefährdet. Die Klassifikation von Dekubitalgeschwüren erfolgt nach den EPUAP/NPUAP-Stadien I–IV, die den Schweregrad und das Ausmaß der Gewebeschädigung beschreiben (Gefen et al., 2022). Neben der Wundversorgung sollte der Fokus auf präventiven Maßnahmen wie Druckentlastung durch Lagerungshilfen, Mobilisierung und Schulung liegen.
Diabetische Fußgeschwüre
Das DFS ist eine Wundheilungsstörung bei Diabetes mellitus, häufig bedingt durch Neuropathie und Durchblutungsstörungen. Menschen mit DFS sind einem erhöhten Risiko für Infektionen, Gangrän und Amputationen ausgesetzt. Zur Vermeidung von Komplikationen ist eine interdisziplinäre Versorgung erforderlich, die Wundmanagement, diabetologische Betreuung, das Tragen von geeignetem Schuhwerk sowie die regelmäßige Inspektion und Pflege der Füße umfasst (Armstrong et al., 2017).
Ulcus cruris (venös, arteriell, gemischt)
Das Ulcus cruris, umgangssprachlich als „offenes Bein“ bekannt, tritt meist am Unterschenkel auf. Es wird nach der Ursache unterschieden:
- Venöses Ulcus cruris
Verursacht durch chronisch-venöse Insuffizienz. - Arterielles Ulcus cruris
Entsteht bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit. - Gemischtes Ulcus cruris
Kombination beider Ursachen.
Venöse Beingeschwüre gehen oft mit Schwellungen und Hautveränderungen einher, während arterielle Beingeschwüre durch unzureichende Sauerstoffversorgung des Gewebes gekennzeichnet sind und starke Schmerzen verursachen können (Schürmann et al., 2019).
Tumorwunden
Tumorwunden entstehen durch das Durchbrechen von malignem Gewebe durch die Haut (exulzerierende Tumoren) oder durch sekundäre Veränderungen im Bereich eines Tumors. Diese Wunden sind oft mit Schmerzen, Infektionen und starker Geruchsbildung verbunden, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Ziel der Versorgung ist es, die Symptome zu lindern, Infektionen zu kontrollieren und die Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten. Ein einfühlsamer Umgang mit Betroffenen und deren Angehörigen ist essenziell.
Weitere Wunden mit Heilungskomplikationen
Neben den häufig genannten Krankheitsbildern wie Druckgeschwüren, diabetischem Fußsyndrom und Ulcus cruris betreuen wir auch Patientinnen und Patienten mit Wunden, die über einen Zeitraum von vier Wochen bestehen oder Heilungskomplikationen aufweisen. Diese können unterschiedliche Ursachen haben und erfordern eine spezialisierte Versorgung. Dazu gehören:
- Iatrogene Wundarten
Iatrogene Wunden entstehen als Folge medizinischer Maßnahmen, beispielsweise durch diagnostische oder operative Eingriffe. Ein häufiges Beispiel ist die Nahtdehiszenz, bei der Operationsnähte sich nicht wie erwartet schließen. Solche Wunden können durch eine Kombination aus mechanischer Belastung, Infektionen oder suboptimalen Heilungsbedingungen entstehen (Dissemond et al., 2020). - Thermische Verletzungen
Wunden durch thermische Einwirkungen entstehen infolge von Verbrennungen oder Erfrierungen. Diese können oberflächliche oder tiefergehende Gewebeschäden verursachen, die abhängig von der Schwere individuell behandelt werden müssen (Reichel et al., 2018). - Verletzungen durch elektrischen Strom
Elektrounfälle können schwerwiegende Gewebeschäden hinterlassen, die nicht nur die Haut, sondern auch tieferliegende Gewebe wie Muskeln oder Nerven betreffen. Eine frühzeitige und umfassende Behandlung ist hier essenziell, um Folgeschäden zu vermeiden. - Regenerative Heilungssituationen
Beispielsweise treten Wunden nach Spalthautentnahmen auf, die im Rahmen von Hauttransplantationen entstehen. Diese Wunden befinden sich in der Regel an den Entnahmestellen und benötigen besondere Pflege, um Infektionen vorzubeugen und die Heilung zu fördern (Hirche et al., 2017). - Chemische Verletzungen
Chemische Verletzungen entstehen durch den Kontakt mit reizenden oder ätzenden Substanzen, die das Gewebe schädigen können. Der Schweregrad hängt von der Art, der Konzentration und der Einwirkzeit des Stoffes ab. Eine sofortige Neutralisation und Reinigung der betroffenen Bereiche ist entscheidend, um Folgeschäden zu minimieren (Voss et al., 2019). - Strahlenschäden
Wunden infolge von Strahlentherapien treten häufig in bestrahlten Gewebegebieten auf. Sie sind oft mit Schmerzen und chronischen Entzündungen verbunden und bedürfen einer umfassenden Wundtherapie, die auf Linderung und Heilung abzielt (Karn et al., 2019). - Mechanische Verletzungen
Mechanische Wunden können durch äußere Einwirkungen wie Bisse, Stiche oder sekundär heilende Schnittverletzungen entstehen. Sie sind häufig kontaminiert und erfordern eine sorgfältige Reinigung und Versorgung, um Infektionen vorzubeugen (Dissemond et al., 2020). - Wundheilungsstörungen aufgrund starker Keimbelastung
Infektionen durch multiresistente Keime wie MRSA, 3/4MRGN oder Pseudomonas aeruginosa können die Wundheilung erheblich erschweren. Eine gezielte Diagnostik und darauf abgestimmte Therapie sind notwendig, um die Heilungsprozesse zu unterstützen (Kramer et al., 2019).
Unsere Quellenangaben
- Armstrong, D. G. et al. (2017) ‘Diabetic foot ulcers and their recurrence’, New England Journal of Medicine, 376(24), pp. 2367–2375. DOI: 10.1056/NEJMra1615439.
- Dissemond, J. et al. (2020) ‘Chronische Wunden: Pathophysiologie und Therapieansätze’, Der Hautarzt, 71(5), pp. 391–399. DOI: 10.1007/s00105-020-04613-6.
- DNQP (2020) Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. Osnabrück: Hochschule Osnabrück.
- Gefen, A. et al. (2022) ‘EPUAP/NPIAP/PPPIA international guidelines on pressure ulcer prevention and treatment’, International Journal of Nursing Studies, 113, pp. 103–111. DOI: 10.1016/j.ijnurstu.2022.103113.
- Hirche, C. et al. (2017) ‘Standards in der Hauttransplantation: Technik und Nachbehandlung’, Chirurgische Allgemeine Zeitschrift, 18(6), pp. 369–376. DOI: 10.1007/s00104-017-0467-4.
- Karn, C. et al. (2019) ‘Management von Strahlenschäden: Herausforderungen und Ansätze’, Radiation Oncology Journal, 15(2), pp. 98–104. DOI: 10.1186/s13014-019-1296-3.
- Kramer, A. et al. (2019) ‘Hygiene und Infektionskontrolle in der Wundversorgung’, GMS Hygiene and Infection Control, 14(3), pp. 1–10. DOI: 10.3205/dgkh000339.
- Reichel, J. et al. (2018) ‘Verbrennungsmedizin: Diagnostik und Therapie’, Burns Journal, 44(3), pp. 519–530. DOI: 10.1016/j.burns.2018.01.004.
- Schürmann, C. et al. (2019) ‘Management des Ulcus cruris venosum’, Gefässchirurgie, 24(6), pp. 377–384. DOI: 10.1007/s00772-019-00612-7.
- Voss, F. et al. (2019) ‘Chemische Verletzungen: Pathophysiologie und Therapie’, Der Unfallchirurg, 122(4), pp. 305–312. DOI: 10.1007/s00113-018-0589-6.
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Wir legen großen Wert darauf, dass jede Versorgung nach aktuellen wissenschaftlichen Standards erfolgt und individuell abgestimmt ist. Dabei kümmern wir uns nicht nur um die Wunde selbst, sondern auch um die Ursachen und Begleitfaktoren. Themen wie Schmerzreduktion, Ernährungsberatung, Mobilitätsförderung und Prävention von neuen Wunden sind uns besonders wichtig.
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