Mythos oder Wahrheit –
Aufklärung über verbreitete Irrtümer in der Wundversorgung

Anja und Julia – Team Niedersachsen

Die gängigsten Mythen in der Wundversorgung – stimmt das wirklich?

 "Da muss frische Luft ran"

Ist frische Luft wirklich gut für die Heilung einer chronischen Wunde?Nein! In der modernen Wundversorgung setzt man auf die feuchte Wundheilung, da Zellen nicht fliegen, sondern schwimmen (Winter, 1962). Studien zeigen, dass eine feuchte Wundumgebung die Zellmigration fördert und die Heilung beschleunigt (Schultz et al., 2003).

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"Wenn es juckt, heilt es schneller"

Ist Juckreiz wirklich ein Zeichen schnellerer Wundheilung? Nein! Juckreiz ist oft ein Zeichen trockener Haut und deutet darauf hin, dass die Wunde oder die umgebende Haut mehr Feuchtigkeit benötigt. Eine angemessene Hautpflege kann hier Abhilfe schaffen (Gethin, 2009).

"Jede Wunde muss desinfiziert werden"

Muss wirklich jede Wunde desinfiziert werden? Nein! Eine Wunde, die keine Infektionszeichen aufweist, kann ausschließlich mit isotonischen Lösungen gereinigt werden (Dissemond et al., 2020). Ein Wundabstrich kann zur Sicherheit ergänzend durchgeführt werden.

"Augen zu und durch"

Muss man Schmerzen in der Wundbehandlung wirklich aushalten? Nein! Eine gezielte Schmerztherapie ist unverzichtbar. Ein atraumatischer Verbandwechsel sollte bei jedem Betroffenen das Ziel sein (World Union of Wound Healing Societies, 2016).

"Da machen wir ein bisschen Quark und Honig drauf"

Kann man chronische Wunden wirklich so behandeln? Jein. Quark ist in der modernen Wundversorgung nicht zulässig, da er Infektionen begünstigen kann. Honig hingegen ist in Form von medizinischen Honig-Wundauflagen oder Wundgel sinnvoll, da er antibakterielle Eigenschaften besitzt (Molan, 2006).

"Die Wunde kann ausgeduscht werden"

Darf man wirklich Leitungswasser zur Reinigung einer chronischen Wunde nutzen? Jein! Leitungswasser enthält Bakterien wie Pseudomonaden, die in Wasserrohren leben. Ohne einen Bakterienfilter sollte man das Ausduschen vermeiden (Sibbald et al., 2011).

"Wenn ich den Schorf abkratze, entstehen Narben"

Stimmt das? Ja! Durch das wiederholte Abkratzen des Schorfs wird die Wunde immer wieder geöffnet, was die Heilung verzögert und das Infektionsrisiko erhöht. Stattdessen sollte man die betroffene Stelle mit Urea-haltigen Cremes geschmeidig halten (Korting et al., 2011).

"Schlecht heilende Wunden können auf ernstzunehmende Krankheiten hinweisen"

Ist das wirklich so? Ja! Chronische Wunden treten häufig bei Grunderkrankungen wie peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), chronisch-venöser Insuffizienz (CVI) und diabetischem Fußsyndrom auf, oft noch bevor die Diagnose der Grunderkrankung gestellt wird (Frykberg & Banks, 2015).

"Wenn es blutet, ist noch Leben drin"

Ist Blut wirklich ein gutes Zeichen in der Versorgung chronischer Wunden? Jein! Bei pAVK-Patient*innen kann eine blutige Wunde ein positives Zeichen für eine noch vorhandene Durchblutung sein. Bei einer Wundheilungsstörung, z. B. einem Platzbauch, ist Blutung jedoch ein Notfall (Gottrup et al., 2010).

"Alle Verbandmaterialien dürfen zugeschnitten werden"

Darf wirklich alles zugeschnitten werden? Nein! Während Schaumstoffe, Kompressen, Distanzgitter, Mullbinden, Hydrofasern und Alginate (mit sterilien Scheren) zugeschnitten werden dürfen, ist dies bei Saugkompressen und Wundauflagen mit Kleberand nicht erlaubt, da ihre Funktion dadurch beeinträchtigt wird (European Wound Management Association, 2022).

"Wenn du verheiratet bist, ist die Wunde abgeheilt"

Diesen Mythos haben wahrscheinlich alle von uns schon gehört – ob von den eigenen Eltern oder Großeltern. Vielleicht hatten sie in mancher Hinsicht doch Recht?

Quellen

Dissemond, J., et al. (2020). Wundreinigung – Eine aktualisierte Leitlinie. Wound Medicine, 29, 100-123.

European Wound Management Association (2022). Guidelines for Wound Care. EWMA Journal, 22(1), 34-56.Frykberg, R. G., & Banks, J. (2015). Challenges in the Treatment of Chronic Wounds. Advances in Wound Care, 4(9), 560–582.

Gethin, G. (2009). The significance of surface pH in chronic wounds. Wound Repair and Regeneration, 17(2), 161-167.

Gottrup, F., Apelqvist, J., & Bjarnsholt, T. (2010). Wound Healing and Infections. International Journal of Lower Extremity Wounds, 9(1), 1-8.

Korting, H. C., Schollmann, C., & White, R. J. (2011). Management of minor acute cutaneous wounds: Importance of wound healing in a moist environment. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology, 25(2), 130-137.

Molan, P. (2006). The evidence supporting the use of honey as a wound dressing. International Journal of Lower Extremity Wounds, 5(1), 40-54.

Schultz, G. S., Sibbald, R. G., Falanga, V., et al. (2003). Wound bed preparation: a systematic approach to wound management. Wound Repair and Regeneration, 11(S1), S1-S28.

Sibbald, R. G., Woo, K. Y., & Ayello, E. A. (2011). Wound bed preparation: evidence-based framework. Advances in Skin & Wound Care, 24(9), 415-436.

Winter, G. D. (1962). Formation of the scab and the rate of epithelization of superficial wounds in the skin of the young domestic pig. Nature, 193(4812), 293-294.

World Union of Wound Healing Societies (2016). Principles of Best Practice: Minimising pain at wound dressing-related procedures. Wounds International, 7(4), 1-26.